366 Tage - 366 Geschichten von Gedankenchaotin (366 Tage Challenge 2024) ================================================================================ Kapitel 130: 09.05.2024 - Tinte ------------------------------- Mit offenem Mund starrte Regina ihren Sohn Sam an und konnte nicht fassen, was er ihr gerade präsentiert hatte. “Was ist das?”, wollte sie wissen und deutete auf den Oberarm ihres Sohnes, auf dem ein riesiger Wolfskopf prangte. Er ging sogar noch ein Stück über das Schlüsselbein hinweg und die Augen stachen in einem hellen Rotton regelrecht hervor. Der Spruch “Never Stop Dreaming” befand sich genauso unter dem Wolfskopf und zierte zusätzlich den Oberarm. “Ein Tattoo , das sieht man doch”, erwiderte der Achtzehnjährige und strich sich kurz über den Oberarm hinweg. Über vier Stunden hatte er im Tattoo - Studio auf der Liege gelegen und auch, wenn es an manchen Stellen echt weh getan hatte, war er unglaublich stolz auf dieses Tattoo. Er erinnerte ihn an seinen Vater, es erinnerte ihn daran, dass der Grauhaarige nicht mehr an seiner Seite war und doch immer bei ihm. “Aber warum?”, hakte Regina nach und konnte nicht fassen, dass sich ihr Sohn Tinte unter die Haut stechen lassen hatte. Tinte, die nie wieder weg ging. “Und warum ausgerechnet dieses Motiv und dann auch noch so groß?” “Weil der Wolf Papas Lieblingstier war und es mich an ihn erinnert", erwiderte Sam und konnte sehen, dass seine Mutter sofort zusammen zuckte. “Du hast dir das Tattoo für deinen Vater stechen lassen?”, hakte sie fassungslos nach und schüttelte den Kopf. Sie konnte nicht fassen, dass ihr Sohn sich auf diese Weise an seinen Vater erinnerte. An einen Mann, der kaum ein Teil seines Lebens war und der sich erst in den letzten Monaten überhaupt für seinen Sohn interessiert hatte. “Wieso?”, wollte sie erneut wissen und diesmal blinzelte Sam verwirrt. “Wieso was?” “Warum hast du dir ein Tattoo für einen Menschen stechen lassen, den du kaum kennst? Warum hast du dir mit Tinte deine Haut verschandeln lassen für einen Menschen, der bis vor einem Jahr nicht einmal wusste, dass es dich gibt?” Bei den Worten seiner Mutter ballte Sam die Hände zu Fäusten. “Du hast doch erst dafür gesorgt, dass er nichts von mir weiß. Du hast mir in all den Jahren meinen Vater genommen, weil du ihm nie von mir erzählt hast. Ich habe selbst herausgefunden, wer er ist und wie er war. Und der Wolf erinnert mich an das, was uns beide verbunden hat. Die Stärke an das zu glauben, was wir uns erträumen können”, fuhr er seine Mutter an, bevor er auf dem Absatz kehrt machte und mit einem Knall die Tür zu seinem Zimmer hinter sich schloss. Er hatte von Anfang an gewusst, dass sie nicht begeistert sein würde, aber ihre jetzige Reaktion verletzte ihn zutiefst und er konnte sich nicht vorstellen, dass sich das in den nächsten Stunden ändern würde. Ein normales Gespräch war jedenfalls nicht möglich, da war er sich absolut sicher. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)